Erfahrungsbericht

Wintertour 2013 zum Nordkap
von Volker Lapp

Es muss ein ziemlich heißer Sommertag gewesen sein. Jedenfalls war mir danach, endlich mal wieder tagelang im Schnee herumzutoben. So richtig kalt mit schönen Minusgraden. Das Ganze gekoppelt mit Schlafen und Leben in der Natur. Also keine Hotels oder ähnliches. Von diesem Gedanken bis zur Idee, im Winter ans Nordkap zu fahren, war es nicht allzu weit. Schließlich muss man ein Ziel haben. Da erschien mir der nördlichste Punkt auf dem europäischen Festland, am oberen Ende von Norwegen, genau richtig.

Ausgesucht habe ich mir für die Tour ein kleines, robustes, vor allem geländegängiges Auto. Ich bin schon seit Jahren vom Fiat Panda begeistert, habe schon einige Projekte damit realisiert. Dieses Mal fiel die Wahl auf die neue Allradversion Fiat Panda 4x4, und zwar die Variante mit 1,3-Liter-Turbodiesel. Er hat zum Beispiel schon serienmäßig einen geheizten Dieselfilter, ideal in kalten Gebieten.

Fiat Deutschland stellte mir einen Panda 4x4 zur Verfügung. Wir optimierten den Panda für kommende Geländeeinsätze. Bei der Schlafplatzsuche muss man in den skandinavischen Wäldern mit ziemlich extremen Geländepassagen rechnen. Ich fand meine Schlafplätze meist in Holzrückegassen oder auf Wegen wo das Holz aus den Wäldern geschafft wird. Um dafür gewappnet zu sein, erhielt der Panda ein höher gelegtes Fahrwerk, einen verlängerten stabilen Unterfahrschutz, vier zusätzliche starke Frontlampen. Die Umbauten wurden von den Firmen Neun und Taubenreuther durchgeführt. Aufs Dach kam ein Träger Marke Eigenbau. Darauf verzurrte ich zwei 20-Liter-Kanister für Treibstoff, Reservereifen und meinen wasserdichten Hermetic Carrier für Kleidung und Schuhe.
Im Innenraum wurde bis auf den Fahrersitz alle Sitze entfernt und durch eine L-förmige Holzplattenkonstruktion ersetzt. Eine zweite Gel-Batterie für zusätzliche Verbraucher wie Leselampe und eine Luft-Standheizung wurde eingebaut. Ich hatte meine komplette Verpflegung, Wasservorrat, zwei Flaschen Wein und die Schlafsäcke im Auto. Geschlafen habe ich auf einer Matte plus Schaffell. Kopfkissen war meine Lodenjacke.

Die erste Etappe führte mich und meine Deutsch-Drahthaar-Hündin Duck von Wittgenborn nach Oslo. In der norwegischen Hauptstadt habe ich die  Winterreifen gegen bei uns nicht erlaubte Spikereifen getauscht. Da im nördlichen Skandinavien im Winter auch die Hauptverkehrsstraßen komplett vereist sind, eine absolute Notwendigkeit. Ich habe mich für Sawa-Spikes in der Nordlandmischung entschieden. Die garantieren mit 108 Nägeln pro Reifen gute Traktion auf vereisten Straßen, das offene Profil bewährte sich außerdem im verschneiten Gelände. Ketten benötigte ich nicht. Wenn es in Skandinavien stark schneit, wird die Straße sowieso kurzerhand gesperrt, dann geht nichts mehr.
Sicherheitshalber hatte ich 40 Liter Reservetreibstoff dabei. Das war allerdings zu viel, 20 Liter hätten ausgereicht. Das Tankstellen-Netz ist im Norden recht dünn. Immerhin ist Diesel grundsätzlich bis minus 34 Grad winterfest. Zusätzlich hatte ich Diesel-Verdünner dabei. Ich war schön öfter zu Hundeschlitten-Trips in Skandinavien. Ich hatte dabei immer Temperaturen zwischen minus 30 und minus 40 Grad. Dieses Mal war alles etwas anders. In Norwegen auf der E 6 hatte ich teilweise Plusgrade, außerdem Tag und Nacht Dauerregen. Erst nördlich von Narvik wurde es kälter. Minus 28 war das kälteste. Am Nordkap hatten wir Sturm. Das Thermometer zeigte zwar nur minus 16 Grad an. Aber durch den Chill-Faktor waren es gefühlte minus 45 Grad. Wenn ich keinen idealen Schlafplatz fand, schlief ich im Zelt. Ich stellte den Panda auf einen Parkplatz und marschierte mit Schneeschuhen, Hund und Ausrüstung in den Wald. Duck hatte auch einen selbstgebauten Schlafsack. Manchmal konnte ich auch am Lagerfeuer kochen. Man muss dann erst einmal Löcher in den Schnee buddeln, sonst versinkt das Feuer in der Tiefe. Meist habe ich aber meinen alten Coleman-Benzinkocher angeworfen. Wenn da nicht zufällig ein Elch drauftritt, funktioniert das Ding immer. Zu essen gab es meist Nudeln in drei verschiedenen Variationen: gebratene Nudeln mit Maggi, Nudeln mit darüber geschütteten Gulaschsuppe, gebratene Nudeln mit Corned Beef. Ich bin da recht einfach zu halten. Dazu Unmengen Tee. Meine Spezialmischung: ein Beutel "Brasilianische Limette" plus einem Beutel "Landlust".
Abends bin ich manchmal schon um 19.00 ins "Bett". Draußen war es meist recht ungemütlich. Die Standheizung lief, ich habe gelesen und einen Blechbecher mit Wein und Wasser getrunken. Lektüre waren meine drei Lieblingsbücher. Zwei davon habe ich während der langen, kalten Nächte geschafft. Vor dem Einschlafen habe ich stets die Heizung ausgeschaltet und das Fenster geöffnet, um das Kondenswasser-Problem einigermaßen in den Griff zu bekommen. Trotzdem waren morgens meist alle Scheiben von innen etwa einen Zentimeter dick zugefroren. Erst nach einer halben Stunde hatten Gebläse und Standheizung die Scheiben frei geblasen. Zum Glück sprang der Motor immer auf die erste Schlüsselumdrehung an, überhaupt hatte ich während der schließlich rund 7.500 Kilometer langen Tour nicht ein einziges technisches Problem.
Morgens, wenn der Kreislauf noch nicht so richtig auf Touren ist und man mit dem kalten Ausrüstungsteilen hantiert, gibt es ziemlich kalte Finger. Dabei habe ich mir die Fingerkuppen angefroren. Ich hatte das schon öfter, das gibt sich zum Glück wieder. Zuerst ist das alles etwas taub, dann schält sich die Hornhaut, und dann ist man länger etwas kälteempfindlich an den Fingern. Eigentlich ziemlich harmlos.

Die Fahrt nach Norden an der norwegischen Küste entlang, meist auf der Fernstraße E 6, war zwar landschaftlich spektakulär, aber leider herrschte dort sehr viel Verkehr. Für die Rückfahrt wählte ich eine Route über Finnland und Schweden. Hier fuhr ich auf traumhaften Nebenstraßen, manchmal begegnete mir nur alle halbe Stunde ein anderes Auto. Ich habe viele Rentiere, aber auch Auerwild, Schneehühner, Elche und sogar drei Wölfe gesehen.
Spannend wurde es häufig, wenn Lkw entgegen kamen. Sie fahren grundsätzlich Vollgas, und man fährt wegen der Schneefahne, die sie hinter sich herziehen, erst einmal eine Weile im Blindflug. Bei mehreren Trucks hintereinander kann diese Zeit ziemlich lange werden.
Skandinavier sind tolle Menschen, hilfsbereit und extrem freundlich. Einmal bin ich in einen Graben gerutscht und wollte den fast gekippten Panda fotografieren. Ging aber nicht, weil ein freundlicher Finne schon einen Bergegurt angehängt hatte. Dazu müsste man in Deutschland schon sehr freundlich aussehen und nett bitten.

Alles in allem war es ein toller Trip mit einem begeisternden kleinen Auto. Natürlich keine gefährliche Expedition, aber ein rundum großartiges Erlebnis mit einer phantastischen Landschaft und Natur pur.
Bei aller Liebe zur Natur, irgendwann bin ich dann doch mal zum Duschen in ein öffentliches Schwimmbad gegangen. Die Bademeisterin war von dem Ergebnis so erfreut, dass sie mir den Spaß kostenlos überließ. Sie meinte, dass ich jetzt zehn Jahre jünger aussehe. Ich habe das überhört.